Land Art in Kreuzberg
An der Hollmannstraße, Berlin Kreuzberg 17. Juni 1987
Kunst im Freien: Das ist vor allem die Möglichkeit, Landschaft direkt zu gestalten oder etwas in sie hineinzugeben, Landschaft als Kontext zu verwenden.
Maria Eichhorn versucht beide Ansätze konzeptionell zu kombinieren. Neun Schubläden, ein Spaten und ein baureifes Gelände in Kreuzberg sind dabei ihre Hilfsmittel, ihre Absicht ist es, der Landschaft bzw. der Erde sowohl den Charakter von Materie als auch von Material zu verleihen. In 20 cm tief ausgehobenen Quadern werden die Schubläden eingelegt, sie schließen mit der Oberfläche ab. Die Erde gewinnt und Erdhaftigkeit, wird weit und tief, und aus dieser (fast) simplen materiellen Betonung bezieht die Arbeit ihre Konkretion.
In schmalen, bis zu 1 m tiefen Gruben werden die Schubläden eingeschoben, mal schließen sie mit der Oberfläche ab, mal ragen sie heraus. Jetzt ist die Erde Material, benutzbar für die Idee eines Schranks, eines Tischs, einer Kommode, und somit abstrakt geworden. Außer der Gegenüberstellung von Konkretion und Abstraktion sorgt die variierte Anordnung der Schubläden für zusätzliche Spannung. Geometrische Formation, Auflösung und wieder Strenge wechseln einander ab, verschärfen die Eindeutigkeit oder hinterfragen den ästhetisierenden Ausdruck. Das Ganze ist nun keine experimentelle Arbeit, sondern ein Experiment im Freien, in einem riesigen, unüberdachten Atelier ohne Fenster für Frischluft.
Marius Babias, In: Zitty. Berlin, Juni 1987
Maria Eichhorn (*1962) lebt in Berlin. 2022 gestaltete sie den deutschen Pavillon auf der 59. Internationalen Kunstausstellung – Biennale Venedig. 2021 wurde ihr der Käthe-Kollwitz-Preis der Akademie der Künste, Berlin verliehen. Sie nahm an der documenta 14, Athen und Kassel (2017), der Documenta11, Kassel (2002) und der 56. Internationalen Kunstausstellung – Biennale Venedig (2015) teil. Zu ihren jüngsten Veröffentlichungen zählen Relocating a Structure (2022), Hannah Arendt: Jewish Cultural Reconstruction Field Reports, Memoranda, etc. (2021) und ein Catalogue Raisonné (2017). Sie initiierte die Website www.rosevallandinstitut.org (2017).